Seit dem ersten Erwähnen der Psychoanalyse durch Siegmund Freund im Jahre 1896 sind eine Vielfalt von Methoden und Schulen im Bereich der Psychotherapie entstanden.
International betrachtet sind folgende Verfahren der Psychotherapie besonders etabliert:
- Verhaltenstherapie
- Psychodynamische Psychotherapie mit zwei Untergruppen
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Analytische Psychotherapie
- Humanistische Psychotherapie (z.B. Gesprächstherapie oder Gestalttherapie)
- Systemische Psychotherapie
In Deutschland sind die beiden Verfahren Verhaltenstherapie und psychodynamische Psychotherapie vom wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) und vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt. Das bedeutet, dass die Krankenkassen die Kosten für die Verfahren Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie und Systemische Therapie übernehmen.
Die Methoden der Psychotherapie werden ständig weiterentwickelt und sind derzeit stark im Umbruch begriffen. Die einzelnen Psychotherapie-Schulen grenzen sich heute in der fachlichen Diskussion weniger streng voneinander ab und man ist bemüht, die Wirkung von Psychotherapie verstärkt auf übergreifend geltende Wirkfaktoren zurückzuführen.
Die dualistische Sichtweise von neurobiologischer und psychischer Ebene gilt ebenfalls als überholt. Stattdessen konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, dass beide Ebenen sich gegenseitig beeinflussen.
Um die einzelnen Therapieverfahren im direkten Kontakt näher kennenzulernen, können Sie auch einen Termin in unserer Praxis für Psychotherapie in Berlin oder in München oder auch einen Online-Termin vereinbaren.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie wird auch als kognitive Verhaltenstherapie bezeichnet. Dies hat historische Gründe, impliziert in der Tendenz jedoch eine Verkürzung des Ansatze auf kognitive (=gedankliche) Prozesse. Die heutige Verhaltenstherapie setzt jedoch wesentlich breiter an.
Die Grundannahme der Verhaltenstherapie ist, dass psychische Störungen durch dysfunktionale Verhaltens- und Verarbeitungsmuster hervorgerufen werden. Verhaltenstherapie stellt die Probleme des Patienten und aufrechterhaltende Bedingungen im hier und jetzt in den Mittelpunkt. Nach einer gemeinsamen Problemanalyse erfolgt die Besprechung einer Zielsetzung.
Um Verbesserungen zu erzielen wird an der gedanklichen Verarbeitung sowie am äußeren Verhalten angesetzt. In der modernen Verhaltenstherapie werden dabei auch biografische Erfahrungen und Emotionen mit einbezogen und ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt.
Der Therapeut ist in seiner Vorgehensweise transparent und motiviert den Patienten gezielt zu Änderungen im Verhalten. Der Patient ist in einer aktiven Rolle und benötigt die grundsätzliche Bereitschaft eine Verhaltensänderung durchzuführen.
Verhaltenstherapie ist bei nahezu allen psychischen Störungen durch zahlreiche Studien als sehr wirksam belegt.
Historische Entwicklung der Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie wurde über die Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt. Die historisch älteren Methoden waren dabei in der Regel nicht falsch, sondern eher für sich alleine genommen in ihrer Wirkung unzureichend. Moderne Verhaltenstherapie integriert daher verschiedene therapeutische Techniken und Methoden.
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Der Begriff Verhaltenstherapie tauchte erstmals in den 1950er Jahren in den USA auf. Der Fokus der Verhaltenstherapie lag zu Beginn auf dem nach außen sichtbaren Verhalten. Führend war ein lerntheoretisches Modell, wonach pathologisches Verhalten genauso „verlernt“ werden könne wie es „erlernt“ wurde. Im Vordergrund stand die Modifikation dieser Verhaltensweisen.
Ca. ab 1970 wurden zunehmend intrapsychische Prozesse in den therapeutischen Prozess einbezogen, nachdem man sich bewusst geworden war, dass die zu einseitige Fokussierung auf das nach außen sichtbare Verhalten, zu große Limitierungen mit sich brachte. Es wurden verschiedene kognitive Techniken entwickelt, mit denen Gedanken gezielt beeinflusst werden konnten. Außerdem wurde verstärkt das Umfeld als Teil von aufrechterhaltenden Bedingungen mit einbezogen z.B. in Form von Elterntraining, Paartherapie, und Gruppentherapien.
Die sogenannte dritte Welle der Verhaltenstherapie ist ein bis heute andauernder Veränderungsprozess der Verhaltenstherapie, dessen genauer Beginn unscharf ist, aber ungefähr in den 80er Jahren verortet werden kann. Da die Veränderung von Kognitionen an Grenzen stieß, wurden „metakognitive Techniken“ entwickelt, die eher auf eine Entaktualisierung von Gedanken zielen als ihre Veränderung. Im Weiteren erfolgte eine Fokusverschiebung von der Kognition zur Emotion beim Verständnis der Entstehung und der Psychotherapie einer Erkrankung. Der Umgang mit Emotionen spielt in der heutigen Verhaltenstherapie eine große Rolle. Verhaltenstherapeutische Psychotherapie sieht den Klienten heute im Kontext seiner Biografie und seines sozialen Umfelds und bezieht diese Einflüsse wesentlich stärker mit ein.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Analytische Psychotherapie
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Analytische Psychotherapie sind aus der traditionellen Psychoanalyse abgeleitet und werden auch zusammenfassend als „Psychodynamische Psychotherapien“ oder „Psychoanalytisch begründete Verfahren“ bezeichnet. Beide Verfahren sind jedoch im Unterschied zu der traditionellen Psychoanalyse zeitlich begrenzt und unterscheiden sich in der Praxis auch voneinander (s.u.). Es gibt vier wichtige psychoanalytische Theorien (Triebtheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorie und Selbstpsychologie), die im Laufe der Jahre weiterentwickelt und um neue, moderne Theorien ergänzt wurden (z.B. Bindungstheorie, Mentalisierungskonzept, intersubjektive Psychoanalyse).
Die Grundannahme beider Verfahren ist, dass psychische Störungen ihre Wurzeln in der frühen Biographie haben. Die frühen biographischen Erfahrungen können zu Konflikten und Entwicklungshemmnissen führen, die individuell bewältigt werden. Die individuellen Bewältigungsstrategien, die oft unbewusst sind, können im Kindes- und Jugendalter hilfreich, im Erwachsenenalter jedoch hinderlich sein und zu persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten sowie zu einer eingeschränkten Lebensqualität führen.
Der Therapeut erkennt das ungenutzte Entwicklungspotenzial des Patienten und fördert ihn auf der Basis von Akzeptanz und Wertschätzung individuell in seiner Entwicklung und seinem Wachstum. Für eine erfolgreiche Psychotherapie ist der Patient bereit, neben seinem Anliegen der Symptomreduktion, sich selbst zu reflektieren und sich seinen Wünschen entsprechend zu verändern.
In der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie werden die Beschwerden des Patienten im Hier und Jetzt fokussiert. Dabei kann es wichtig sein, den Zusammenhang zwischen aktuellen Konflikten und frühen biographischen Erfahrungen bewusster zu machen, aber auch Stärken, Ressourcen und Fähigkeiten auszubauen. Der Patient kann dadurch beginnen, sich selbst besser zu verstehen, einen größeren Möglichkeitsraum wahrzunehmen und sein Leben mehr nach seinen Wünschen auszurichten.
In der Analytischen Psychotherapie werden die Beschwerden des Patienten mehr im Kontext der Vergangenheit bearbeitet. Das Setting kann im Sitzen (modifiziertes Setting, ein- bis zweimal wöchentlich) oder im Liegen (klassisches Setting, bis zu dreimal wöchentlich) stattfinden. Der Patient bekommt dadurch die Möglichkeit, seine Persönlichkeit umfassender zu verstehen und zu verändern.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Analytische Psychotherapie sind in ihrer Effektivität für alle wichtigen Störungsbilder evaluiert und wissenschaftlich anerkannt.
Systemische Therapie
Die Systemische Therapie hat sich seit den 1950er Jahren aus verschiedenen Richtungen entwickelt (z.B. Mehrgenerationenperspektive, erlebnisorientierte Familientherapie, strukturell-kybernetische Perspektive, Selbstorganisation, narrative Perspektive) und findet über das Paar- und Familiensetting hinaus auch in anderen Psychotherapiesettings statt.
Die Grundannahme der Systemischen Therapie ist, dass psychische Störungen nicht in dem Patienten isoliert entstehen und lokalisiert sind, sondern in der Interaktion des sozialen Systems (z.B. Familie). Die Mitglieder des sozialen Systems des Patienten nehmen teilweise auch an der Therapie teil.
In der Systemischen Therapie sind die Auftragsklärung und das Stellen von Fragen, die Informationen gewinnen und erzeugen sollen (z.B. zirkuläre Fragen, Wunderfragen), aber auch weitere Interventionen (z.B. Familienskulptur, Familienbrett, Sprechchor und paradoxe Intervention) zentrale Elemente.
Der Therapeut ist auftrags-, lösungs- und ressourcenorientiert sowie neutral. Er vergrößert den Möglichkeitsraum und achtet die Selbstorganisation des Patienten. Der Patient sollte wie auch in anderen Verfahren Therapie- und Veränderungsmotivation mitbringen.
Anzumerken ist, dass auch in den Verfahren Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Analytische Psychotherapie systemische Aspekte berücksichtigt werden.
Quellen:
Schienle, Anne, et al. „Symptom provocation and reduction in patients suffering from spider phobia.“ European archives of psychiatry and clinical neuroscience 257.8 (2007): 486-493.
Ermann, M. (2016). Psychotherapie und Psychosomatik. Ein Lehrbuch auf psychoanalytischer Grundlage. Stuttgart: Kohlhammer.
Jungclaussen, U. (2013). Handbuch Psychotherapie-Antrag. Psychodynamisches Verstehen und effizientes Berichtschreiben in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer.
Rudolf, G. (2019). Psychodynamisch denken- tiefenpsychologisch handeln. Praxis der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer.
Schweitzer, J., Beher, S., von Sydow, K. & Retzlaff, R. (2007). Systemische Therapie/Familientherapie. Psychotherapeutenjournal, 6(1), 4-19.
Wöller, W. & Kruse, J. (2010). Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Basisbuch und Praxisleitfaden. Stuttgart: Schattauer.