Symptomatik und Verlauf
Zwangsstörungen kommen in Form von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen vor.
Zwangshandlungen:
Bei Zwangshandlungen besteht ein starker innerer Druck bestimmte Vorgänge durchzuführen oder sehr oft zu wiederholen, obwohl das in dieser Form keinen Sinn macht. Beispielsweise wird vor Verlassen des Hauses 50x kontrolliert, ob der Herd aus ist (Kontrollzwang). Oder es besteht ein sogenannter Waschzwang, bei dem der Gedanke man selber oder ein Gegenstand in der Wohnung könnte verschmutzt sein, zu einem übertriebenen Putz- und Wasch-Verhalten führt.
Ausgeprägte Zwangsstörungen beinhalten nicht selten Rituale von mehreren Stunden täglich, die durchgeführt werden müssen, damit sich der jeweilige Gegenstand des Zwangs für den Betroffenen “richtig” anfühlt und die mit dem Zwang verbundene Spannung abgebaut werden kann. Zwänge kosten sehr viel Zeit und Kraft und sind daher auch äußerst belastend.
Im Allgemeinen ist es so, dass den Betroffenen die Unsinnigkeit ihrer Handlungen bewusst ist, sie diese aber trotzdem nicht einstellen können. In der Regel wird versucht gegen die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen Widerstand zu leisten, der jedoch mit der Zeit häufig nachlässt.
Zwangsgedanken:
Zwangsgedanken äußern sich in einem starken inneren Drang bestimmte Gedanken immer wieder denken zu müssen. Häufig sind diese Gedanken mit starken Ängsten verbunden z.B. sich auf eine sozial vollkommen inakzeptable Art zu verhalten oder durch die Gedanken selber eine Art von fiktiver Katastrophe verhindern zu müssen. Manchmal können auch Gesundheitsängste zwanghafte Formen annehmen und einer Hypochondrie ähneln. Häufig aber nicht immer ist den Betroffenen der im Kern unsinnige Charakter der Zwangsgedanken bewusst.
Verlauf:
Bei ausgeprägten Zwängen treten häufig begleitend Depressionen auf, da der Zwang es unmöglich macht, normal am Alltagsleben teilzunehmen. Zwänge können lange kompensiert werden bis irgendwann z.B. die Berufsausübung nicht mehr möglich ist. Zwänge weisen leider auch eine Tendenz zur Ausbreitung und zum “überspringen” auf angrenzende Gebiete aus. Spontanheilungen ohne psychotherapeutische Hilfe sind relativ selten.
Zwangsstörungen sind diagnostisch außerdem von Angststörungen und bei extremen Formen von wahnhaften Störungen abzugrenzen.
Zwänge kommen relativ häufig vor, sie betreffen ca. 3,8% der Bevölkerung. Zwangsstörungen beginnen meistens in der Jugendzeit oder im frühen Erwachsenenalter. Da die Symptomatik oft schamhaft besetzt ist, sprechen viele Betroffene nicht gerne darüber oder erst nach gezieltem Nachfragen.
Hieraus resultiert nicht selten ein jahrelanges Verheimlichen, was auch auf einer Unkenntnis gegenüber erfolgversprechenden Therapieverfahren basieren kann. Sowohl Zwangsgedanken als auch Zwangshandlungen sprechen auf eine gezielte Verhaltenstherapie in der Mehrzahl der Fälle gut an.
Psychotherapie und medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen
Zahlreiche Studien zeigen, dass Zwangsstörungen durch eine gezielte Psychotherapie (Verhaltenstherapie) gebessert werden können. Wesentliche Bestandteile der Psychotherapie sind graduierte Expositionen mit Reaktionsmanagement und kognitive Techniken.
Eine Verhaltenstherapie stellt den Goldstandard in der Behandlung von Zwangsstörungen dar. Bei sehr schwer ausgeprägter Symptomatik oder wenn eine Psychotherapie aufgrund anderer Umstände nicht durchgeführt werden kann, sind Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI, z.B. Escitalopram) die medikamentöse Behandlung der 1. Wahl.
Neben psychologischen Faktoren weisen neurobiologische Untersuchungen darauf hin, dass eine Störung im Serotonin-System des Gehirns vorliegen könnte, was erklären würde, warum Zwänge positiv auf eine Behandlung mit SSRI (Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern) ansprechen.
Zum Weiterlesen:
Wenn Zwänge das Leben einengen: Der Klassiker für Betroffene – Zwangsgedanken und Zwangshandlungen (Hoffmann, Springer-Verlag, 2017)
Quellen:
Lakatos A, Reinecker H. Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen: ein Therapiemanual. Hogrefe Verlag, 2016.
Gava, Ileana, et al. „Psychological treatments versus treatment as usual for obsessive compulsive disorder (OCD).“ Cochrane Database of Systematic Reviews 2 (2007).
Soomro GM, Altman D, Rajagopal S, Oakley-Browne M. Selective serotonin re-uptake inhibitors (SSRIs) versus placebo for obsessive compulsive disorder (OCD). Cochrane Database Syst Rev. 2008;2008(1):CD001765. Published 2008 Jan 23. doi:10.1002/14651858.CD001765.pub3