Entspannungstechniken können nicht nur bei der Behandlung psychischer Störungen, sondern auch bei somatischen Beschwerden sinnvoll zum Einsatz kommen. Zudem sind sie ein wichtiger Bestandteil der Prävention von Krankheiten. Entspannungsverfahren dienen nicht nur der unmittelbaren Beruhigung, sondern können mittelfristig weitere Effekte erzielen.
Entspannungsverfahren können das Konzentrationsvermögen steigern, die wahrgenommene Selbstkontrolle erhöhen, das Stressniveau reduzieren und letztendlich das generelle Wohlbefinden verbessern. Das übergeordnete Ziel von Entspannungstechniken ist, die Aufmerksamkeit weg von Reizen aus der Umgebung zu lenken, um sie schließlich vollständig nach innen zu richten. Im Folgenden sollen die gängigsten Verfahren von Entspannungsverfahren in der Psychotherapie vorgestellt werden:
Progressive Muskelentspannung
Die Progressive Muskelentspannung geht zurück auf Edmund Jacobson, der die Beobachtung machte, dass unsere Muskelspannung rapide ansteigt, wenn wir nervös und erregt sind. Hingegen kann Angst durch Entspannen der Muskeln wirkungsvoll gelindert werden.
Zunächst sollte eine liegende oder eine bequeme Sitz-Position eingenommen werden. Das Verfahren funktioniert so, dass Gruppen von Muskeln entspannt werden, nachdem sie zuvor aktiv angespannt wurden. Dabei arbeitet man sich von einer Muskelgruppe zur nächsten vor, spannt die entsprechende Muskelgruppe an, behält die Spannung eine Weile bei, um sie schließlich loszulassen und die Entspannung auf sich wirken zu lassen.
Die Entspannung breitet sich letztlich im gesamten Körper aus, sodass Blutdruck, Puls und Darmaktivität sinken und sich unser Atem vertieft. Während der Übung sollte die gesamte Aufmerksamkeit den eigenen Körperempfindungen gewidmet werden. Das langfristige Ziel ist, im Laufe der Zeit zwischen einer normalen und einer übermäßigen Muskelspannung differenzieren zu können und den eignen Körper bewusst wahrzunehmen.
Diejenigen, die bereits vertrauter mit dem Verfahren sind, sollen außerdem lernen, die Gefühle, die mit dem „Loslassen“ einhergehen, zu verinnerlichen, sodass sie auch in der Lage sind, im alltäglichen Leben einen Zustand der Entspannung herbeizuführen.
Autogenes Training
Das autogene Training wurde vom Psychiater Johannes H. Schmitz ins Leben gerufen, dessen Spezialgebiet die Hypnose war. Das Verfahren gilt als eine Art der Selbsthypnose, mit dem Ziel, den Körper sowie das vegetative Nervensystem („unbewusstes Nervensystem“) durch Steuerung der Gedanken in einen Ruhezustand zu überführen.
Während der Durchführung sollte der Patient liegen oder die sog. „Droschenkutscher-Haltung“ einnehmen. Vor allem bei Anfängern sollte das autogene Training unter Anleitung ausgeführt werden. Man unterscheidet drei auf einander aufbauende Stufen:
In der Grundstufe soll es vor allem darum gehen, das vegetative Nervensystem in einen parasympathischen (Ruhe-)Zustand zu bringen. Dies gelingt, indem verschiedene Übungen vollzogen werden. Bei der Herzübung z.B. wird sich voll und ganz auf den eigenen Herzschlag konzentriert, sodass sich die Herzfrequenz beruhigt. Im Rahmen dieser Übung werden laut Sätze (sog. Formeln) aufgesagt wie z.B. „Der Rhythmus meines Herzens ist ruhig und gleichmäßig“.
In der Mittelstufe werden vom Patienten formelhafte Vorsätze formuliert, welche sich auf seine persönlichen Bedürfnisse und Bestrebungen beziehen. Sie sollten nicht zu lang und insbesondere optimistisch formuliert sein. Anstatt „Ich möchte mich nicht aufregen“ sollte es vielmehr heißen: „Ich bleibe ruhig“. Befindet sich der Patient in einem Ruhezustand, werden die entsprechenden Formeln immer wieder aufgesagt. Es macht durchaus Sinn, geeignete Formeln gemeinsam mit einem Psychotherapeuten zu formulieren.
In der Oberstufe soll der Patient imaginative Bilder konstruieren, welche anschließend bewusst reflektiert werden. Auf diese Weise soll er Selbsterkenntnis erlangen und auf Lösungen für seine Probleme und Konflikte stoßen.
Biofeedback
Auch beim Biofeedback geht es darum, automatische körperliche Prozesse bewusst zu manipulieren. Diese werden zunächst durch elektronische Geräte visualisiert oder akustisch dargestellt. So erhält der Patient eine Rückmeldung über seine vegetativen Körperfunktionen und erfährt, wie sich diese unter Unruhe oder Entspannung verändern.
In einem nächsten Schritt versucht der Patient, diese Funktion allein durch die Kraft seiner Gedanken zu steuern, sodass auf dem Monitor eine Veränderung zu erkennen ist. Beispielsweise kann er versuchen, Einfluss auf die Anspannung seiner Muskeln zu nehmen, indem er diese entweder erhöht oder verringert.
Ziel ist es, auch ohne technische Geräte Einfluss auf die eigenen Körperfunktionen nehmen zu können. Neben der Muskelspannung sind andere typische Körperfunktionen, mit denen man sich im Rahmen des Biofeedbacks beschäftigt, z.B. die Atemfrequenz, der Blutdruck, der Puls und die Aktivität der Großhirnrinde.
Die Wirksamkeit von Biofeedback konnte bereits durch zahlreiche Studien belegt werden. Allerdings bedarf es zur Durchführung dieses Verfahrens spezieller Gerätschaften, weswegen es schwierig ist, es eigenständig zuhause durchzuführen.
Hypnose
Bereits die alten Ägypter führten Hypnosen durch und bemerkenswerterweise konnte sich dieses Verfahren in der modernen Psychotherapie etablieren. Bei der Hypnose (auch Suggestionsverfahren genannt) handelt es sich um eine recht schnelle und spezifische Methode, bei der sich die Patienten in einem veränderten Bewusstseinszustand befinden, der auch als Trance bezeichnet wird. Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um einen Schlafzustand. Ziel ist es, dass alle Prozesse, die durch das vegetative Nervensystem reguliert werden (z.B. Atmung und Blutdruck), heruntergefahren werden und die Konzentration voll und ganz auf der internalen Wahrnehmungen liegt.
Vor der Durchführung des Verfahrens sollte der Klient genauestens über den Ablauf sowie mögliche Risiken informiert werden. Das Vorgespräch soll zudem zum Aufbau der Beziehung zwischen Klient und Therapeut beitragen. Der Klient kann über zwei Wege in den Trancezustand gelangen: Entweder suggeriert, dass der Klient immer ruhiger und müder wird, indem er dies immer wieder in einer monotonen Sprechweise wiederholt.
Oftmals wird der Zustand aber auch erzielt, indem der Klient ein kleines Objekt wie z.B. ein Pendel, welches sich in minimalem Abstand zu seinem Gesicht befindet, mit seinen Augen fixiert. Dies bewirkt ebenfalls eine sich kontinuierlich aufbauende Müdigkeit. Solange sich der Patient im besagten Zustand befindet, versucht der Therapeut, ihn gezielt mental-seelisch zu beeinflussen. Wie genau das aussieht, hängt von den spezifischen Beschwerden des Patienten ab.
Anwendungsbereiche in der Psychotherapie
Entspannungsverfahren existieren in den unterschiedlichsten Formen und können oftmals in einer Psychotherapie gewinnbringend eingesetzt werden.
Bei stressassoziierten Erkrankungen wie Burnout und bei Depressionen sind Entspannungsverfahren als der Teil der Behandlung fest etabliert.
Bei chronischen Schmerzen (z.B. Kopf oder Rückenschmerzen) und Schlafstörungen kann tendenziell festgestellt werden, dass alle beschriebenen Verfahren sich zur Behandlung eignen und entsprechend der Präferenzen des Patienten gewählt werden sollten.
Menschen, die unter einer Psychose leiden, wird generell von Entspannungsverfahren abgeraten.
Bei Hyperaktivität (auch bei Kindern) eignet sich insbesondere die progressive Muskelentspannung. Da das Verfahren langfristig auf die bewusste Wahrnehmung der eigenen Muskelspannung abzielt, kann es motorische Unruhe reduzieren.
Biofeedback kann begleitend zur Behandlung von Erkrankungen mit Krampfanfällen (z.B. Epilepsie) eingesetzt werden. Durch das Erlernen von Selbstkontrolle sollen sich Patienten dadurch vor erneuten, sich anbahnenden Anfällen schützen.
Auch die Hypnose konnte bereits bei verschiedensten Anliegen Wirkung erzielen, wo andere keine nennenswerten Effekte brachten. Unter anderem kann sie bei spezifischen Ängsten (z.B. vor einer Operation oder einem Zahnarztbesuch) oder zur Rauchentwöhnung in Betracht gezogen werden.
Quellen:
Klajner, Felix, Lorne M. Hartman, and Mark B. Sobell. „Treatment of substance abuse by relaxation training: a review of its rationale, efficacy and mechanisms.“ Addictive behaviors 9.1 (1984): 41-55.
Manzoni, Gian Mauro, et al. „Relaxation training for anxiety: a ten-years systematic review with meta-analysis.“ BMC psychiatry 8.1 (2008): 41.
Spinhoven, Philip, et al. „Autogenic training and self-hypnosis in the control of tension headache.“ General Hospital Psychiatry 14.6 (1992): 408-415.